Kann man seine (Sicherheits-)Kultur einfach verändern? - Mit Miriam Büxenstein (Folge 42)
Shownotes
In dieser Episode: In der heutigen Folge spricht Rico Kerstan mit Miriam Büxenstein, Kulturwissenschaftlerin und Kulturberaterin, über den oft missverstandenen Begriff Organisationskultur – und was er für Sicherheits- und Resilienzarbeit bedeutet. Gemeinsam beleuchten sie, warum Kultur nicht „eingeführt“ werden kann, wie sie entsteht und welche Faktoren entscheidend sind, damit Organisationen in Krisen wirklich widerstandsfähig reagieren können.
Das Gespräch beginnt mit der Frage, wie man Kultur überhaupt definieren kann – jenseits von Hochglanzbroschüren und Schlagworten wie „offene Fehlerkultur“. Miriam zeigt auf, warum Selbstbild und gelebte Realität oft auseinanderfallen, und stellt ihr dreistufiges Reflexionsmodell vor: vom kulturellen Selbstverständnis über die gelebte Praxis bis zur Außenwirkung in Krisensituationen.
Außerdem geht es um den Einfluss von Führung, um den Unterschied zwischen kurzfristigen Symbolmaßnahmen und langfristiger Kulturentwicklung – und um die Rolle von Kompetenzaufbau und Beobachtung in Sicherheits- und Resilienzprojekten. Am Ende wird klar: Resilienzfördernde Kultur entsteht nicht durch Workshops oder neue Bürokonzepte, sondern durch konsequente, gemeinsame Arbeit an Haltung, Strukturen und Beziehungen.
Titel:Kann man seine (Sicherheits-)Kultur einfach verändern? - Mit Miriam Büxenstein (Folge 42) Gast: Miriam Büxenstein, Kulturwissenschaftlerin und Kulturberaterin Erscheinungsdatum: 15.08.2025
Über Krisenhacks: Krisenhacks ist der Podcast für Entscheider und Verantwortliche, die sich mit organisationaler Resilienz, Krisenmanagement und IT-Sicherheit beschäftigen. In jeder Folge gibt es praxisnahe Einblicke, konkrete Lösungsansätze und Expertenwissen aus erster Hand.
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Rico: Herzlich Willkommen zu Krisenhacks, der Podcast rund um organisationale Resilienz,
Rico: Informationssicherheit und Krisenmanagement.
Rico: Von und mit Rico Kerster.
Rico: Willkommen zurück zu Krisenhacks. In der heutigen Folge möchte ich ein bisschen
Rico: anschließen an das Interview mit André Röhl vom letzten Mal,
Rico: in dem wir gesprochen haben über den Kompetenzaufbau, aber in Teilen auch über
Rico: das Thema Kultur, Resilienzkultur.
Rico: Und meine Wahrnehmung ist, dass so das Thema Kulturaufbau,
Rico: Sicherheitskultur, da gibt es viele Mythen und viele einfache Lösungen,
Rico: die präsentiert werden.
Rico: Aber so vom Gefühl würde ich sagen, scheint mir das nicht so zu passen.
Rico: Ich bin in der Vorrecherche über eine Aussage von Gartner gekommen, die sagen,
Rico: also es gibt so Security Behavior and Culture Programs und da geht es dann vor
Rico: allem um Datenanalysen und Automatisierung und darüber,
Rico: wenn man dann sozusagen solche Programs aufsetzt, darüber kann man die Sicherheitskultur
Rico: stärken und Risiken reduzieren.
Rico: Okay, das ist ja erstmal eine Sachstandsanalyse und da wird dann eben sozusagen
Rico: ein Report verlinkt, der einigermaßen wissenschaftlich wirkt.
Rico: Und dann gibt es aber auch Webseiten, wo eben dann in fünf einfachen Tipps dargestellt
Rico: wird, wie man seine Sicherheitskultur etablieren kann.
Rico: Und da geht es dann darum, dass man einfach offen kommunizieren muss,
Rico: beim Management beginnt,
Rico: den strategischen Vorteil nutzen muss, Schulungen anbieten und dann werden zufälligerweise
Rico: entsprechende Schulungstools verlinkt und das Team einbinden und dann hat man
Rico: schon seine Sicherheitskultur gestärkt.
Rico: Das scheint mir jetzt alles so ein bisschen sehr einfach zu sein,
Rico: weil ich immer denke, dass Organisationen doch relativ komplexe sozio-technische Systeme sind,
Rico: halte ich die Lösung mit ausschließlich technischen Lösungen immer für so ein
Rico: bisschen, naja, schwierig.
Rico: Und deshalb habe ich mir heute jemanden eingeladen, der sich mit Kultur auskennt.
Rico: Mein Gast heute hat ein eigenes Kulturmodell entwickelt, das insbesondere dazu
Rico: dienen soll, Unternehmenskultur erstmal transparent zu machen.
Rico: Das ist das Innenraum-Außenmodell und sie ist als Kulturberaterin unterwegs
Rico: und unterstützt eben Unternehmen und Organisationen dabei, Kulturaspekte zu bearbeiten.
Rico: Sie ist keine ausgesprochene Expertin für Resilienz- und Sicherheitskultur,
Rico: aber das ist ja vielleicht umso besser, das Thema mal aus einer reinen Kulturperspektive
Rico: zu beleuchten und zu fragen, was braucht man denn eigentlich,
Rico: um Kultur zu stärken und was ist denn überhaupt Kultur?
Rico: Darum wird es in den Mediaviel gehen und ja, dabei wünsche ich viel Spaß.
Music:
Rico: Mein heutiger Gast ist Miriam Bützenstein. Sie hat ihren Bachelor in Kulturwissenschaften
Rico: und ihren Master in Kulturmanagement gemacht, war wissenschaftliche Mitarbeiterin
Rico: an der Viadrina in Frank-Weroder,
Rico: hat in unterschiedlichen Unternehmen gearbeitet und war als Gründungsberaterin
Rico: tätig und ist aktuell als Kulturberaterin tätig. Miriam, herzlich willkommen.
Miriam: Danke für die Einladung.
Rico: Ja, ich habe dich eingeladen, weil in unserem Denkkreis, in unserer Branche
Rico: wird immer viel von Sicherheitskultur, von Resilienzkultur gesprochen und dem
Rico: wollte ich halt so ein bisschen tiefer auf den Grund gehen, nämlich vor allem im Anteil Kultur.
Rico: Da würde ich mal starten mit der Frage, was ist denn eigentlich Kultur aus der Kulturwissenschaft?
Miriam: Beim Begriff Kultur würde ich sagen, denken die meisten zunächst an Hochkultur,
Miriam: also die Auseinandersetzung mit den großen geistigen Errungenschaften des Menschen,
Miriam: Theater, Kunst, Literatur.
Miriam: Da werden ja auch ganz klassisch die elf Sparten definiert der Kultur- und Kreativwirtschaft,
Miriam: aber der Kulturbegriff geht natürlich deutlich weiter.
Miriam: Die Definitionen von Kultur sind so plural, dass es ein ganzes Studium gibt,
Miriam: das sich nur damit beschäftigt, was Kultur ist.
Miriam: Ich meine, das sagt im Grunde schon alles aus.
Miriam: Deswegen würde es vielmehr darum gehen, zu schauen, was Kultur in dem Kontext
Miriam: bedeutet und einfach nur grundlegend
Miriam: festzuhalten, Kultur ist irgendwie alles, was kultiviert wurde.
Miriam: Also auch nicht mehr ganz gültig, aber sozusagen der ursprüngliche Dualismus
Miriam: war, das ist Natur und das ist Kultur und Kultur ist das vom Menschen gemachte,
Miriam: das kultivierte, also der bestellte Acker zum Beispiel,
Miriam: der Weg hin von einem Feld, in dem nichts künstlich erzeugt oder hergestellt wird,
Miriam: hin zu eben vom Menschen bewirtschafteten Region jetzt aus einer klassischen Perspektive.
Miriam: Also alles, was im Grunde mit dem Menschen zu tun hat und mit seinem Leben in der Welt.
Rico: Da kann ich jetzt als Ingenieur nicht so viel mit anfangen. Was heißt das jetzt
Rico: bezogen auf Organisation?
Rico: Kann man das vielleicht ein bisschen spezifischer, also während wir reden,
Rico: reden wir über eine Organisationskultur.
Rico: Insofern, vielleicht können wir das ja nochmal da runterbrechen,
Rico: weil da werden ja selten Felder bestellt, außer jetzt in Landwirtschaftsorganisationen.
Miriam: Genau, oder vielleicht auch nicht. Wir können das Bild ja mal der Landwirtschaft
Miriam: übertragen auf eine Organisation und sind dann auch schon bei einigen Missverständnissen
Miriam: mit dem Kulturbegriff, nämlich es gibt ja die klassische Vorstellung,
Miriam: also es gibt dann jemand, der bewirtschaftet das Feld und dann wachsen die Zöglinge
Miriam: so, wie man sich das vorstellt und alles wächst und gedeiht.
Miriam: Was daran auf jeden Fall so ist, ist, dass eben Wachstum entsteht oder dass eben etwas wächst.
Miriam: Also Kultur wächst, Kultur ist da, Kultur bildet etwas aus.
Miriam: Aber der Bauer, der das dann bestellt und vorgibt, was am Ende dabei rauskommt,
Miriam: das ist tatsächlich in Organisationen eher schwierig zu sehen.
Miriam: Um das aus dem Bild rauszunehmen, heißt...
Miriam: Führung kann Rahmen geben für Kultur und möglich machen, indem es eben offene
Miriam: Fehlerkultur hat, indem es Freiräume schafft für Experimentieren, für Lernen.
Miriam: Aber was eben Führung oder was eben nicht gemacht werden kann,
Miriam: ist, man kann Dinge, die schon da sind, die entstanden sind,
Miriam: durch das Zusammenspiel von Menschen miteinander, durch Muster,
Miriam: die da entstehen, durch kollektive Gedankenströme, darauf kann man keinen direkten
Miriam: Einfluss nehmen, genauso wenig,
Miriam: wie man Einfluss auf das Wetter nehmen kann, das den Acker zerstört.
Miriam: Und ich glaube, das ist einer der wesentlichen Aspekte.
Miriam: Wir können viel über Kultur reden, wir können sie auch rahmen,
Miriam: aber am Ende ist Kultur immer schon da und kann durch diverse Komponenten gesteuert werden.
Miriam: Ich würde jetzt mal die Grundlegenden nennen, oder was eine Organisation haben
Miriam: muss, damit Kultur resilient oder fruchtbar ist, ist, dass sie wandlungsfähig ist,
Miriam: also nicht starr, dass sie in die Bewegung gehen kann in ihrem Rhythmus,
Miriam: dass sie lernfähig ist, auch ganz klassisch, da wo kein Lernen mehr stattfindet,
Miriam: da findet Stagnation statt, also hängt direkt mit der Wandlungsfähigkeit zusammen
Miriam: und Reflektionsvermögen.
Miriam: Also eine Organisation, die keine Änderungen mehr vornehmen kann.
Miriam: Aufgrund von Feststellungen, also Erkenntnisse hat aber daraus nichts ableitet.
Miriam: Das ist keine resiliente Organisation, das ist im Grunde missglückte Kultur, kann man so sagen, ja?
Rico: Aber jetzt ist ja, also ich habe es noch nicht so richtig verstanden,
Rico: weil jetzt haben wir ja natürlich, jetzt haben wir Kultur mit Kultur beschrieben
Rico: zum einen, wo wir gesagt haben,
Rico: also irgendwie sozusagen ein Teil der Definition war ja jetzt auch wieder ein
Rico: Begriff mit Kultur und dann ging es jetzt eigentlich um organisationale Eigenschaften.
Rico: Ist jetzt die Summe all dessen Kultur, ist es die Summe der Ideen,
Rico: Welten, die die Mitarbeiter mitbringen oder was ist denn die?
Rico: Also was wäre denn so deine Arbeitsdefinition für eine Organisationskultur,
Rico: damit man so ein bisschen rumrum beschreiben kann?
Rico: Aber jetzt hatte ich das Gefühl, wir haben eigentlich über alles geredet.
Miriam: Ja, im Endeffekt ist Kultur auch alles, Kultur ist ein Silobegriff,
Miriam: Kultur ist ein Suchbegriff, würde jetzt Dirk Becker sagen.
Miriam: Und zwar alles, was darunter fällt, ist im Grunde eine Konfiguration von verschiedenen
Miriam: Komponenten aus Personen, Prozessen, Rollen, Affekten, Räumen,
Miriam: Diskursen und Materialien.
Miriam: Also im Endeffekt alles, was in Organisationen aufkommt, kann kulturelles Artefakt
Miriam: oder kulturrelevant sein.
Miriam: Und damit ist Kultur auch einfach so ein Begriff, der nicht greifbar ist.
Miriam: Also wer den Hebel danach sucht, eine bestimmte Kultur einzuführen, der kann lange suchen.
Miriam: Es gibt so viele diverse Hebel. Es ist ein systemisches Gefüge.
Miriam: Es ist nicht nur eine Person, die bestimmte Eigenschaften hat.
Miriam: Eine Organisation ist auch nicht nur die Summe aus Personen,
Miriam: die bestimmte Eigenschaften haben, sondern eine Organisation entwickelt aus
Miriam: diesen Mustern und vor allem aus ihren Beziehungsgefügen zwischen den Artefakten,
Miriam: den Menschen und so weiter, entwickelt das neue.
Miriam: Prozesse, Eigenschaften, also es ist in sich ein ganz anderes Gefüge,
Miriam: wo man nicht einen Knopf drücken kann und dann ist plötzlich alles anders.
Rico: Das heißt, am Ende ist es schwer greifbar, weil es sozusagen dann schon auch alles umfasst.
Rico: Bevor wir jetzt zu der Frage kommen, was man da vielleicht schon vorgreifen
Rico: kann, hast du ja so ein paar Eigenschaften genannt, also sich,
Rico: Lernfähigkeit, Fehlerkultur, das ist ja was, was vermutlich jede Organisation
Rico: von sich behaupten wird.
Rico: Also ich habe jetzt noch nie in einer Organisation gedacht, nee,
Rico: wir haben eine geschlossene Kultur und wir haben keinen guten Umgang mit Fehlern
Rico: und lernfähig sind wir auch nicht.
Rico: Das heißt, wie unterscheide ich denn jetzt als Kulturwissenschaftler oder als
Rico: Beobachter oder was, ob das tatsächlich stimmt?
Rico: Kann ich das überhaupt bestimmen, ob eine Organisation lernfähig ist oder nicht?
Rico: Weil sozusagen die Selbstbeschreibung und auch in Stellenanzeigen wird ja überstehen.
Rico: Wir haben eine offene Teankultur oder transparente Führungskultur.
Rico: Aber das ist ja erstmal nur ein Branding. Kann ich das dann auch messen? Kann ich das erheben?
Miriam: Messen und erheben würde ich schon im Kulturkontext ein bisschen aufschrecken.
Miriam: Ja, es gibt auf jeden Fall oder deswegen hast du mich auch eingeladen.
Miriam: Ich habe ein Modell entwickelt, mit dem man schrittweise untersuchen kann,
Miriam: was in der Kultur da ist. Also Kultur ist eben nicht nur das,
Miriam: was draufsteht, sondern vor allem das, was drin ist.
Miriam: Und das muss man ja erstmal kennen, um überhaupt die verschiedenen systemischen
Miriam: Zusammenhänge zu erkennen, zu wissen, was schlummert da im Untergrund.
Miriam: Und weil ja vor allem gerade bei diesen Kulturanalysen in Organisationen das
Miriam: ganz implizite, die informellen Rollen, die Machtgefüge, die Zeitverständnisse.
Miriam: Also da spielt so viel mit und das ist so schwer greifbar, dass wenn wir das
Miriam: jetzt auf Sicherheit beziehen wollen würden.
Miriam: Müssten wir sozusagen alle verschiedenen Bereiche abklopfen und gucken,
Miriam: ja, was ist Sicherheit in diesem Kontext?
Miriam: Also, warum wollen wir sicher sein?
Miriam: So eine grundlegende Frage, warum wollen wir sicher sein, ist eben dann schon
Miriam: ein Stell- oder ein Ansatzpunkt mal tiefer zu bohren.
Miriam: Also die Frage, warum, warum, warum, warum und immer weiter in die Tiefe zu
Miriam: graben, ohne den Überblick über die Gesamtheit der Organisation zu verlieren.
Miriam: Aber es klingt jetzt alles auch immer noch sehr abstrakt.
Miriam: Das hat der Kulturbegriff an sich. Ich kann das gerne mal jetzt durchgehen in
Miriam: Bezug auf das, was wir jetzt wollen.
Miriam: Wir wollen eine resiliente Organisation haben.
Rico: Bevor wir da reingehen, ich habe schon noch zwei, drei Fragen vor der Weg,
Rico: bevor wir jetzt sozusagen in die Zeitpunktrede gehen, weil zum einen habe ich jetzt verstanden,
Rico: zum einen kann man wahrscheinlich feststellen, dass wenn irgendjemand auf seinen
Rico: Marketingprospekt schreibt,
Rico: dass die Organisation Security Culture oder Resilienzkultur anbietet als Dienstleistung,
Rico: dann kann man das erstmal als Marketing Bullshit abtun, weil von dem, was du verstanden,
Rico: was ich von dir verstanden habe, ist das ja im Grunde gar nicht möglich von
Rico: außen injiziert mit einer spezifischen Dienstleistung eine Kultur und irgendeine
Rico: bestimmte Dienstleistung.
Rico: Richtung zu ändern, sondern das würde sozusagen an dem Begriff,
Rico: was ich jetzt verstanden habe, deutlich vorbeigehen.
Miriam: Kommt darauf an, wie die Organisation vorgeht. Also wenn sie erst mal schaut,
Miriam: was da ist und dann Steine ins Rollen bringt, dann ist das schon möglich.
Miriam: Aber wenn sie jetzt sagt, ich gehe jetzt hin und fange mal an zu messen,
Miriam: wie die Architektur aufgebaut ist und was man daraus für Rückschlüsse aus den
Miriam: Rollen und Strukturen bilden kann, dann wäre es wahrscheinlich zu kurz gedacht.
Miriam: Ist ein wesentlicher Aspekt, aber ja.
Rico: Ich glaube, der wesentliche Marketinghebel wäre zu sein, man macht Schulungen
Rico: für Mitarbeiter und irgendwie Führungskräfteseminare und dann sagt man,
Rico: darüber wird dann, erinnert sich dann die Kultur ganz imonent und dann viel
Rico: sicherer, weil wir uns vier Stunden Videos angeguckt haben.
Miriam: Wenn man das machen möchte, dann kann man im Endeffekt einen Entwicklungsprozess
Miriam: voraussetzen, der in Organisation zwischen einem halben Jahr bis drei Jahren dauert.
Miriam: Und also wenn man sowas wirklich ernsthaft angeht, dann ist es nicht mit einem
Miriam: Workshop getan, sondern das beinhaltet, dass an jeder Stelle der Organisation
Miriam: reflektiert, verändert und gelernt wurde.
Miriam: Na, dann sind wir wieder bei dem Dreiklang.
Rico: Okay, das heißt, jetzt sage ich als Organisation, ja, das habe ich verstanden.
Rico: Also ich müsste mir erstmal flüssig jetzt verstehen, warum will ich das eigentlich haben?
Rico: Also ich muss eine Zielrichtung festlegen und dann müsste ich messen oder dann
Rico: müsste ich erheben, beobachten auf verschiedenen Ebenen, was ich habe und dann reflektieren.
Rico: Vielleicht kannst du ja dann doch mal durch dieses Modell, was du da entwickelt
Rico: hast, gehen und vielleicht können wir uns überlegen, wie man ein mittelständisches
Rico: Unternehmen, sagen wir mal ein produzierenden
Rico: Gewerbe und wie weiß ich 200 Mitarbeiter einen Standort stellt,
Rico: Batterien her oder so und sagt jetzt, Mensch, ich muss jetzt irgendwie resilienter
Rico: werden, das ist mir jetzt ein Anliegen, wir wollen jetzt an unserer Resilienzkultur
Rico: arbeiten oder einer Resilienzfördernden Kultur und zwar einer Krisenresilienzfördernden Kultur arbeiten,
Rico: wie würdest du mit deinem Modell vorgehen, welche Antworten kann das geben?
Miriam: Also das ist erstmal ein Reflexionsmodell, da sind jetzt noch nicht die Methoden
Miriam: in der Umsetzung enthalten, das gibt erstmal die Denkimpulse um den Überblick
Miriam: zu bekommen und da würde ich anfangen mit dem kulturellen Selbstverständnis
Miriam: und würde eben schauen, ja,
Miriam: Ich schaue jetzt mal das kulturelle Selbstverständnis durch die Brille der Resilienz
Miriam: an, so kann man das sagen und dann wären eben,
Miriam: das heißt, das ist das Innern, da sind die Komponenten enthalten,
Miriam: Intention, da wäre dann die Frage,
Miriam: was ist unser Antrieb im Umgang mit Belastungen, welche Geschichten erzählen
Miriam: wir über frühere Krisen,
Miriam: Welche unausgesprochenen Regeln gelten in Stresssituationen,
Miriam: wo man das natürlich auch in gewisser Weise simulieren müsste?
Miriam: Da sind Übungen super hilfreich.
Miriam: Welche Ressourcen sind typisch wie im Umgang mit Krisen?
Miriam: Also wir kennen das Klassische unter den Teppich kehren, bis es nicht mehr geht.
Miriam: Wir kennen also diverse Methoden des Schönredens, des Perspektivwechsels, also des Humors.
Miriam: Da gibt es eine ganz lange Palette an typischen Eigenheiten,
Miriam: die deine Organisation an den Tag legen kann.
Miriam: Und dann eben noch die Nähe, wie nah sind wir einander, wenn es schwierig wird.
Miriam: Also gehen wir dann auf Distanz, ducken wir uns weg, schieben wir uns gegenseitig
Miriam: die Schuld zu, was passiert dann in der Organisation, kannibalisieren wir uns selber.
Miriam: Also das sind alle schon Sachen, die sich aus dem kulturellen Selbstverständnis
Miriam: heraus ergeben was vielleicht auch gar nicht so explizit gemacht werden kann
Miriam: gerade wie nah sind wir uns wenn es schwierig wird, das werde ich jetzt nicht
Miriam: herausfinden indem ich frage.
Miriam: Wie war das denn bisher bei Ihnen unter den Kollegen wenn es dann Stress gab,
Miriam: wie haben Sie dann reagiert dann wird ja jeder von sich selbst behaupten das
Miriam: optimal gelöst zu haben in Kooperation und miteinander, da geht es schon viel
Miriam: um die Beobachtung und da wäre glaube ich wirklich so ein,
Miriam: ein Krisenszenario zu testen, sehr wertvoll.
Miriam: Ja, und gerade im kulturellen Selbstverständnis werden dann eben die wichtigen
Miriam: Aspekte mit den klassischen Schlagworten zu nennen, Vertrauen,
Miriam: emotionale Dynamik, psychologische Sicherheit, psychologische Sicherheit wirklich
Miriam: essentiell und eben auch an den gemeinsamen Werten zu arbeiten,
Miriam: kollektive emotionale Muster zu entwickeln im Umgang mit Scheitern, Druck und Konflikten,
Miriam: was natürlich auch eher aus dem zwischenmenschlichen Prozess heraus entsteht,
Miriam: also dass man sich beteiligen kann, da auch in den Gedankenprozess zu gehen
Miriam: und dann eben die Vertrauensarchitektur.
Miriam: Das heißt, inwiefern findet Kontrolle statt, welche Form von Kontrolle,
Miriam: wie ist die an Macht gekoppelt und so weiter.
Miriam: Das ist jetzt nur das kulturelle Selbstverständnis. Da tun sich ja schon so viele Fragen auf.
Rico: Also ich habe ein bisschen gedacht bei dem, was du erzählt hast.
Rico: Welche Geschichten erzählen wir uns im Umgang mit früheren Krisen?
Rico: Da höre ich ja ganz oft, ja, also in der Corona-Pandemie haben wir das ganz richtig gut gemacht.
Rico: Da waren wir eigentlich die allerbesten und unser Krisenmanagement ist ein absolutes Brett.
Rico: Wenn ich sozusagen so einsteige in den Prozess, dann ist ja die Wahrscheinlichkeit, dass da jetzt,
Rico: also wenn ich das selber machen will mit dem, was du gesagt hast,
Rico: Dann ist ja die Wahrscheinlichkeit, dass ich irgendwie falsch abbiege,
Rico: relativ groß, weil im Grunde verbaut das ja schon Reflexionsfähigkeit,
Rico: wenn ich von Anfang an mir das Narrativ erzähle, dass das eh alles ganz toll
Rico: war, was wir gemacht haben.
Rico: Da ist man gesagt, wie gehen wir mit so Situationen ab? Ich habe ja mal den
Rico: Begriff des Fauxpup entwickelt, Fear of Pushing, die Alarmbutton,
Rico: dass man eben sozusagen so lange wartet und das wegschiebt, bis es eigentlich
Rico: nicht mehr geht, bis es umgänglich ist, dann die Krise auszurufen.
Rico: Wie würde man denn so einen Prozess sinnvoll gestalten, in der Organisation
Rico: zu so einer Selbstreflexion zu kommen?
Miriam: Das ist eben der zweite Schritt des Modells. Das geht von innen nach außen und wieder andersherum.
Miriam: Und zwar geht es über die gelebte Kultur, also den Raum.
Miriam: Im Endeffekt, wenn ich jetzt in eine Organisation reingehe, mache ich eine Art
Miriam: ethnografische Untersuchung,
Miriam: Also setze mich dahin, spreche mit den meisten Leuten und schaue halt,
Miriam: wo die Spannungen, Ambivalenzen, die Sachen sind, wo dann mal die Augenbraue
Miriam: hochgeht oder der Blick nach hinten gedreht wird.
Miriam: Also man merkt schon, wo Spannungen sind. Und am Ende geht es bei Kultur auch
Miriam: genau darum, die Schmerzpunkte zu finden.
Miriam: Das macht man eben im zweiten Schritt, das geht eben dann in die Fragen rein,
Miriam: wie gut können wir diese Spannung hören?
Miriam: Also wie gut können wir nicht nur ein positives Bild von uns zeichnen?
Miriam: Wie nah sind wir an uns selbst?
Miriam: An der Realität, die wir nicht gerne hätten, sondern das ist auch wichtig,
Miriam: eine Realität zu kreieren, die man gerne hätte.
Miriam: Aber auch, wo sind wir auf dem Weg dahin?
Miriam: Also was fehlt? Was sind die Sachen, die eben noch nicht so funktionieren?
Miriam: Und eben auch zu sagen, ja, was ist denn unser Ziel in Krisen?
Miriam: Ja, die ist super zu meistern, okay, gut, aber woran machen sie denn fest,
Miriam: dass sie in der Corona-Pandemie so super waren?
Miriam: Da kann man ja schon mal nachfragen, weil sie eine gute Außenwirkung hatten
Miriam: oder weil die Mitarbeiter super ersetzt werden konnten und sie gar keine Personalengpässe hatten,
Miriam: weil alle remote arbeiten konnten und es so perfekt lief und sie sofort alle
Miriam: digitalen Systeme aufgesetzt hatten.
Miriam: Also da geht es ja richtig in die Tiefe. Und dann eben auch zu fragen,
Miriam: das ganze Unsichtbare, welche Muster wirken, ohne dass wir sie sehen.
Miriam: Und das, was du beschreibst, ist ja ein klassisches Muster, das ich auch meinte,
Miriam: was sind so typische Reaktionen auf Krisen? Erstmal sagen, oh, bei uns ist alles super.
Miriam: Das ist so der erste Schutzmechanismus und der wird dann langsam differenziert
Miriam: und aufgeweicht. und dann...
Rico: So ganz handwerklich, also jetzt, das verstehe ich.
Rico: Ich glaube, da sind auch sehr viele Fragen dabei, die sich Organisationen nicht
Rico: gestellt haben. Ich meine, dann schon noch mal die Frage stellen,
Rico: warum machen Sie das fest? Und dann kommt da, glaube ich, nicht so viel.
Rico: Und dann biebt man aber in dem Gespräch auch schnell ab, weil man dann sozusagen
Rico: in der Rolle vielleicht auch gar nicht tiefer bohren will, weil man jetzt da
Rico: auch, weiß ich nicht, vielleicht wenig Antworten hat.
Rico: Aber sozusagen, wie würde ich das denn ganz methodisch angehen?
Rico: Also jetzt sind wir ja noch bei diesem Innentemann gewesen.
Rico: Also wie geht man das denn methodisch an? Das Weitere macht man ethnografisch,
Rico: aber das Erste, wie geht man da?
Rico: Kann man das überhaupt als Organisation selbst machen oder braucht man eigentlich
Rico: zwingend jemanden von außen, der sozusagen als neutraler Beobachter kommt und
Rico: diese Fragen überhaupt stellt?
Miriam: Absolut. Also um das kulturelle Selbstverständnis zu klären,
Miriam: braucht man die Außenperspektive.
Miriam: Man kann das auch mit sich selbst machen, dann entstehen sicher auch ganz tolle
Miriam: Sachen, aber allein die Verarbeitung, das was für einen selbstverständlich ist,
Miriam: das kann man gar nicht selber, weil diese Selbstverständlichkeiten sind selbst und verständlich.
Miriam: Deswegen, jemand anderes würde gar nicht, oder in der Organisation würde man
Miriam: gar nicht so sehr darauf kommen, dass es auch anders möglich ist.
Miriam: Das ist einfach so eine Grundbedingung des Selbstverständlichen.
Miriam: Deswegen, der externe Blick ist notwendig, um da überhaupt tiefer kommen zu
Miriam: können und auch vielleicht aufzeigen zu können, hey, es gibt noch eine andere
Miriam: Perspektive oder eine Person, die eben schon sehr viel gesehen hat, dann kommt,
Miriam: hey, so und so und so und so. diese Optionen gibt es alle.
Miriam: Vielleicht beschränkt ihr euch auch ja extrem. Also Lernfähigkeit entsteht ja auch durch Offenheit.
Miriam: Und wenn man eben in so einen Prozess geht mit dem eigenen Selbstverständnis,
Miriam: dann ist diese Offenheit für alles, was von außen kommt, super wichtig.
Miriam: Aber es kann natürlich auch jemand sein, der da nur...
Miriam: Einmal gearbeitet hat und wieder weggegangen ist oder es kann jemand sein,
Miriam: der im Aufsichtsrat sitzt und eine ganz andere Rolle zu der Organisation hat.
Miriam: Also jeder Stakeholder oder Shareholder bringt ja einen anderen Blick mit und
Miriam: das alles bündelt sich ja in so einem Selbstverständnis und jeder Blick hat
Miriam: auch nochmal einen Aspekt für sich.
Rico: Okay, das verstehe ich. Das heißt, man braucht irgendwie einen moderierten Prozess,
Rico: wo jemand diese Fragen stellt.
Rico: Ich glaube, man muss ja auch in die Sätze noch bereit sein, dann die Nachfragen zu hören.
Rico: Das stelle ich mir ja schon dann im Sölzern doch relativ unangenehm vor,
Rico: weil ich mir jetzt ganz viele Situationen einfallen auf so Audits,
Rico: wo man eigentlich fragen könnte, wie gehen sie denn mit schlechten Auditorgebnissen
Rico: um und dann gibt es eben Organisationen, die so oder so damit umgehen,
Rico: aber da gehört ja schon auch eine gewisse Demut dazu, dann zu sagen,
Rico: nee, eigentlich bügeln wir das jetzt mal unter den Tisch oder sowas.
Rico: Also das funktioniert erst eine Änderung, wenn wirklich einer von außen kommt
Rico: und mit brachialer Gewalt auf uns einschlägt.
Rico: Dann lösen wir den Knoten, der böse Auditor, der dann da zum Mittel gemacht
Rico: wird für eigentlich ein Thema, was eigentlich alle wissen.
Rico: Aber man geht es halt nicht anders. Das wären ja so klassische Punkte,
Rico: wo man dann sagen kann, okay, da gibt es offensichtlich.
Rico: Und das habe ich so schon, das erhebt man in so einem Modell oder in deinem
Rico: Modell wird das erstmal einfach nur auch oben.
Miriam: Genau, also es wird dann einfach so stehen gelassen ohne Wertung.
Miriam: Es kann ja durchaus eine Methode sein, dass man das immer nur mit brachialer
Miriam: Gewalt und also ich meine, das ist menschentypisch, dass erstmal die Welt zusammenbrechen
Miriam: muss, bis sich etwas ändert.
Miriam: Und das ist eben auch wahrscheinlich der Unterschied zwischen einer resilienten
Miriam: Organisation und nur einer Organisation, dass eine resiliente Organisation bereit
Miriam: ist, in diesen Schmerzen, in diese Schutzmuster reinzugucken.
Rico: Ja gut, am Ende ist es natürlich auch effizient, nicht jedes Gewitter irgendwie
Rico: zu ernst zu nehmen, sondern zu sagen, okay, wir müssen ja irgendwie unsere Ressourcen,
Rico: das heißt, es müsste dann auch eine gewisse Dringlichkeit entstehen,
Rico: vielleicht ist es ja auch,
Rico: also man erhebt es und dann kann man, es gibt jetzt noch keine Antwort darauf,
Rico: also man sagt, es ist gut oder schlecht, sondern man sagt, okay,
Rico: da haben wir hinsichtlich einen Widerspruch oder es muss eben erstmal gerade
Rico: Gewalt ausgebildet werden.
Miriam: Dann liegt es da.
Rico: Und dann kann man gucken als Organisation, ob man das so möchte,
Rico: was man damit macht, ob man das ändern möchte oder was weiß ich.
Miriam: Man muss es ja auch nicht ändern. Es kann sein, dann kommt die Krise und dann
Miriam: ist diese brachiale Gewalt genau das, was man braucht.
Rico: Ja, okay.
Miriam: Es ist einfach im Grunde ein Modell, das aufzeigt, ohne zu werten.
Miriam: Also ein Spiegel im Endeffekt, ein organisationaler Spiegel.
Rico: Genau, hast du gesagt, im zweiten Schritt würdest du ethnografisch arbeiten.
Rico: Ich weiß, was ethnografisch ist, ich habe es zumindest grob verstanden,
Rico: aber du kannst es ja vielleicht nochmal erklären für die Leute,
Rico: die jetzt nicht unbedingt viel ethnografisch wissen, was das ist.
Miriam: Ja, also man geht in eine Organisation und schaut sich an, was da tatsächlich passiert.
Miriam: Also wie sind die Räume gestaltet? Welche Prozesse werden gelebt?
Miriam: Sind das die Prozesse, die auch in irgendeinem Tool abgebildet werden oder sind
Miriam: das ganz andere Prozesse?
Miriam: Wie werden die Rollen verteilt? Sind die Rollen so verteilt,
Miriam: wie sie auf dem Papier stehen oder nicht? Wie sind die Entscheidungswege?
Miriam: Wie ist, ja, die Ambiguitätstoleranz ist auch immer so ein Thema.
Miriam: Also wie gehen die Personen mit Zielkonflikten um?
Miriam: Wie häufig kommen eben so Konflikte vor? Wie werden die dann ausgetragen?
Miriam: Gibt es? Und dann sind wir wieder an diesem Lernthema. Welche Lernformate gibt
Miriam: es? Welche Reflexionsräume?
Miriam: Welche Retrospektiven?
Miriam: Oder ja, eben welche Räume werden geöffnet, um eben nachzudenken und mal innezuhalten?
Miriam: Es klingt jetzt leicht esoterisch, aber am Ende ist es schon dieses,
Miriam: wie schnell und langsam sein können und da einen Rhythmus daraus zu schaffen
Miriam: essentiell, weil in einer Krise musst du ja unglaublich schnell sein.
Miriam: Da ist es wichtig, dass du die langsame Arbeit schon mal irgendwann gemacht
Miriam: hast, weil in der Situation selbst kannst du sie nicht mehr tun.
Rico: Ja, oder ich muss aushalten können, dass ich nicht schnell genug bin.
Rico: Das wäre ja auch vielleicht was für die Krise wichtig ist.
Rico: Was ich gerade so gedacht habe, naja, das klingt so ein bisschen isolierend,
Rico: auf der anderen Seite so Lessons learned zu machen und so.
Rico: Das ist ja schon häufig ein Thema, was man sich dann immer aufschreibt.
Rico: Was ich dann aber auch oft sehe, ist, dass dann eben gar nicht die notwendige
Rico: Priorität darauf gesetzt wird, sondern dann sagt man, ja, wir machen ein Lessons
Rico: Learned, aber nicht jetzt,
Rico: sondern übermorgen und übermorgen ist halt das nächste wichtige Thema und dann
Rico: ist das nächste wichtige Thema und dann macht man es noch, um einen Haken dran zu machen.
Rico: Aber dann ist es eben einfach nur Prozesserfüllung und gar nicht mehr sozusagen
Rico: wirklich ein sauberer Lernprozess, sondern das ist nur noch ein Teil eines Prozesses,
Rico: der gemacht werden muss.
Rico: Das finde ich schon plausibel zu sagen, okay, es gibt sozusagen noch einen Weichenfaktor
Rico: dazu, der eben auch aufzeigt, ob man das ernst meint.
Miriam: Genau. So, und jetzt sind wir durch Innen und den Raum gegangen und dann gibt
Miriam: es natürlich auch noch das Außen, der Ausdruck und die Wirkung von so einer
Miriam: Krise, wo man sich eben dann auch noch die Fragen stellen kann,
Miriam: wie kommunizieren wir in der Krise?
Miriam: Ganz großes Themengebiet. Wie machen wir unser Innenleben sichtbar, auch in der Krise?
Miriam: Oder machen wir es gar nicht sichtbar?
Miriam: Welche Worte verwenden wir dafür, was uns in diesen Krisen bewegt?
Miriam: Wer zeigt sich und wie? Also gibt es Krisenverantwortlichkeiten?
Miriam: Welche Rituale oder Interventionen schaffen Stabilität in dem Instabilen und
Miriam: dann eben was bleibt, wenn die Krise vorbei ist so, das ist sozusagen das,
Miriam: was in der Außenwirkung dann noch passiert,
Miriam: da geht es dann eben auch viel um Sinnstiftung natürlich Sinnstiften im Moment,
Miriam: aber auch danach und vielleicht, wenn ich nochmal zum Kulturbegriff.
Miriam: Zurückgehe, ist Das ist vielleicht auch so eine Quintessenz,
Miriam: also wie laden wir unsere Interaktion, unsere Beziehung mit Bedeutung auf?
Miriam: Welche Bedeutung messen wir den Beziehungen bei? Wie ist unsere Beziehungsqualität?
Miriam: Ich glaube, wenn ich an Resilienz denke, dann geht es vor allem darum,
Miriam: in schwierigen Situationen Beziehungen zu sich, zu der Arbeit und so weiter,
Miriam: zu der Welt halten zu können und nicht an den Spannungen, Konflikten zu zerbrechen.
Miriam: Ja, das klingt jetzt auch wieder leicht esoterisch.
Rico: Nee, ich meine, das wird natürlich eine schöne Brücke zwischen so individueller
Rico: Resilienz und organisationaler Resilienz oder Teamresilienz und organisationaler
Rico: Resilienz, weil es natürlich schon auch ein Stück weit stimmt,
Rico: dass sozusagen, wenn ich da in der Lage bin, auf der Team-Spannung auszuhalten,
Rico: wird es wahrscheinlich öfter,
Rico: wie gesagt, sonst eben da besser funktionieren, was ich die ganze Zeit so denke.
Rico: Es kann ja eigentlich per se gar keine andere Kultur in Krisen geben,
Rico: als es die in Friedenszeiten gibt.
Rico: Also sozusagen die Kultur ist ja erstmal da, nachdem was du erzählt hast.
Rico: Und dann ist halt die Frage, wie doll zerstört das Gewitter jetzt mein Feld?
Rico: Um nochmal bei dem Anfangsbild zu bleiben. Aber ich muss das ja eigentlich gar
Rico: nicht krisenfokussiert machen, sondern es geht erstmal darum,
Rico: überhaupt zu erheben, wie ist die Kultur in der Organisation,
Rico: vielleicht auch welche Eigenschaften, welche Attribute kann ich dem zuordnen.
Rico: Und dann kann ich halt überlegen, sind die Resigenz fördernd oder sind die vielleicht
Rico: auch Resigenz verhindernd?
Rico: Beispielsweise. Wenn ich die Resilienzverändernden habe, akzeptiere ich das
Rico: als Risiko, um das mal ganz formal zu sagen, oder sage ich, nee,
Rico: das ist eigentlich was, wo wir arbeiten müssen.
Rico: Also man schafft eben einen Rahmen, um eigentlich qualitativ zu erheben,
Rico: was sonst verborgen bleibt und dann kann man damit etwas tun.
Miriam: Genau, richtig.
Rico: Was ich noch nicht, also wie ich noch rein will, ist so diese ethnografische Arbeit.
Rico: Wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, würde ja auch dazu gehören, dass ich sage,
Rico: also da steht jetzt in der Sternenanzeige drin, wir haben eine offene Teamkultur
Rico: und am Ende sitzen aber die Teams in zweier Büros hinter dicken Holztüren und haben die ständig zu.
Rico: Das wäre ja eigentlich ein totaler, also finde ich zumindest mal was,
Rico: was man als Widerspruch werten kann, weil es ja nicht unbedingt nur offene Themenkultur
Rico: ist, wenn ich meine Tür zumache.
Miriam: Genau, richtig erfasst. Also im Endeffekt ist das die Cultural Awareness,
Miriam: wie man so schön sagt, die man mitbringt, um dann eben das, was auf dem Papier
Miriam: steht, von dem zu unterscheiden, was tatsächlich gelebt wird.
Miriam: Das ist genau das, was ich meinte mit, ja, man kann sagen, man ist eine resiliente
Miriam: Organisation, aber was dann drin ist in der Verpackung, das können wir ja im
Miriam: Endeffekt erst beurteilen, wenn wir es gesehen haben, erlebt haben.
Miriam: Ja, und das beeinflusst sich auch gegenseitig.
Rico: Das heißt aber, wenn ich jetzt anfange, die Türen zu öffnen oder ich sage,
Rico: wir schmeißen die raus und wir bauen jetzt Lasttüren ein, würde das ja nach
Rico: der Idee auch zwangsläufig zu einer Änderung der Kultur führen, oder?
Miriam: Wenn wir die Leute auch rausschmeißen. Okay. Naja, nein, also das war jetzt die Frage noch.
Rico: Erstmal würde ich jetzt sagen, ich würde jetzt relativ stumm fragen,
Rico: dann tauschen wir halt die Türen aus, dann gibt es jetzt keine Holztür mehr,
Rico: sondern Warstürne, die wir uns nicht verstecken können.
Rico: Führt das zwangsläufig zu einer kulturellen Änderung oder ist das dann eigentlich
Rico: nur Verwaschen und irgendwie sozusagen eine Shit-Talk, eine ganz einfache Lösung,
Rico: die eigentlich nichts bringt?
Miriam: Also für mich klingt das nach einer Maßnahme, die man machen kann,
Miriam: die aber nicht unbedingt zu einem Ergebnis führt, weil die Menschen können sich
Miriam: durch Strukturveränderungen verändern, aber das ist nicht zwingend gegeben.
Miriam: Also es kommt ja immer noch darauf an, wie das Großraumbüro dann angenommen
Miriam: wird, wenn sie davor eben nur in diesem kleinen Rahmen gesessen haben, so zweit,
Miriam: dann haben sich ja Gruppendynamiken und Teamkonstellationen ergeben,
Miriam: die sich nicht auflösen dadurch, dass man jetzt in einem Großraumbüro sitzt.
Miriam: Also das ist ein netter Versuch, aber sehr wirtschaftlich gedacht, nicht ganzheitlich.
Rico: Ja, aber ich würde sagen, das wäre jetzt gar nicht so ein außergewöhnlicher Versuch.
Rico: Also ich kenne Organisationen, die ich besucht habe, die gesagt haben,
Rico: wir machen jetzt New Work und dann alle in ein buntes Großfondsbüro gesetzt
Rico: und gesagt, super, jetzt haben wir eine agile Führungskultur geschaffen,
Rico: weil wir jetzt alle in einem Bürosraumbüro sitzen.
Rico: Dann bin ich natürlich bei dir, dass dann vielleicht die gleichen Leute immer
Rico: noch mit den gleichen Leuten gesprochen haben, nur halt im Großraumbüro,
Rico: das übersieht man dann, aber okay, das ist also, man muss da schon dann immer
Rico: ein bisschen differenzierter reingehen
Rico: und deine Frage kam jetzt daher, weil dann die These auch wäre,
Rico: eigentlich muss ich dann auch Personal austauschen, wenn ich wirklich eine richtige
Rico: kulturelle Änderung herbeiführen will?
Miriam: Hm.
Miriam: Es kommt schon vor und es kommt nicht selten vor, weil die Menschen sind oder
Miriam: wir haben ja Gewohnheiten und Muster entwickelt in unserem Arbeitskontext innerhalb
Miriam: einer Organisation und diese Muster und die verändern sich ja nicht durch eine Maßnahme.
Miriam: Das ist ja ein ganzer Strauß an Maßnahmen, die da ergriffen werden müssen,
Miriam: die auch irgendwie stimmig sind, wo alle einbezogen, wo werden die eben ihre Kultur anpassen,
Miriam: die auch selbst eben den Bedarf gesehen haben, um überhaupt zu verstehen,
Miriam: warum machen wir das da eigentlich,
Miriam: warum müssen wir jetzt im Großraumbüro sitzen.
Miriam: Wenn das alles gut moderiert wurde, also das Großraumbüro und das nicht einfach
Miriam: plötzlich umgebaut wurde, dann kann das schon klappen.
Miriam: Aber wenn halt nur das sich geändert hat und sonst nichts, dann kann man es
Miriam: eben tatsächlich nur dadurch ändern, dass man die Leute rausschmeißt.
Miriam: Weil man sie nicht abgeholt hat an dem Punkt, wo sie sind und sie an der Hand
Miriam: genommen hat im kulturellen Wandelprozess.
Rico: Das spricht ja eigentlich eher für eine Art Kompetenzentwicklung,
Rico: weil Kompetenz ja irgendwie individuelle Kompetenz beschreibt,
Rico: dass ich in ähnlichen Situationen mit Gleichverhalten oder mit Dauern wahrscheinlich Gleichverhalte.
Rico: Das heißt, du würdest sagen, wenn ich die Kompetenz der Menschen nicht entwickle,
Rico: dann eben auch in einer offenen Teamkultur zu arbeiten,
Rico: dann können sie zwanzläufig trotz eines neuen Büros natürlich nicht in offenen
Rico: Teamkultur arbeiten, weil sie einfach schlicht und ergreifend diese Kompetenz
Rico: nicht mitgebracht haben, sondern eben eine Kompetenz haben, in einer geschlossenen
Rico: Teamkultur zu arbeiten oder in einem Zweirauchenbüro.
Rico: Das heißt, ich muss, da werde ich dann vielleicht auch bei dir,
Rico: was André Röhl im letzten Podcast gesagt hat, zu sagen, ich muss eben anfangen,
Rico: Kompetenzentwicklung zu betreiben auf der individuellen Ebene,
Rico: um dann eben auch eine Fallensenderung herbeizuführen.
Miriam: Ja, wobei das auch wieder zu kurz gedacht wäre, weil du kannst auch super toll
Miriam: resiliente und kompetenzausgebildete Personen haben und trotzdem ist die Summe
Miriam: in der Organisation dann anders, weil sie es eben gewohnt waren.
Rico: Ja gut, aber mit dem Büro breche ich ja auch Gewohnheiten auf.
Rico: Ich schaffe dann eben eine bildende Kompetenz und schaffe eben auch andere Gewohnheiten
Rico: ab, weil ich kann ja gar nicht zurückfallen in das Zweierbüro-Thema,
Rico: weil es das im Zweierbüro vielleicht gar nicht mehr gibt, sondern ich habe eben
Rico: einen ganz anderen Raum.
Rico: Also ich darf natürlich nicht erwarten, dass das ab der ersten Woche funktioniert
Rico: und wahrscheinlich muss man so einen Prozess auch länger moderieren,
Rico: aber am Ende würde das dann zu einer Verhaltensänderung führen.
Rico: Das heißt, ich muss auf der individuellen Ebene arbeiten und ich muss auf der
Rico: muss dann vielleicht auch tatsächlich im Außen arbeiten und sagen,
Rico: wir müssen da das Büro haben.
Rico: Jetzt gibt es so ein Thema, was mich noch beschäftigt in den Zusammenhang.
Rico: Da wird immer gesagt, Sicherheitskultur, das ist eine Führungsaufgabe,
Rico: Cybersecurity ist Chefsache, ist ja so ein beliebter Spruch.
Rico: Und dann denke ich immer so, naja, klar ist es schon die Verantwortung,
Rico: aber kann jetzt eine Geschäftsführung wirklich dermaßen die Kultur beeinflussen und wenn ja, wie?
Rico: Ich glaube, die Antwort kenne ich jetzt schon, was wir besprochen haben,
Rico: aber was würdest du zu dem Statement sagen?
Rico: Das kann eigentlich alles nur von oben kommen, das ist eine klassische Managementaufgabe.
Miriam: Ist natürlich Quatsch, würde ich sagen. Weil meistens, wenn es um Thema Security
Miriam: geht oder so, dann sitzen die Funken oder die ersten Gedanken,
Miriam: die Schwierigkeiten, die kommen ja aus dem Innen.
Miriam: Dass irgendwann mal ein Account gehackt wurde, dass jemand auf eine Phishing-Mail
Miriam: reingefallen ist, dass irgendwie wirklich ein konkreter Bedarf besteht aus der
Miriam: Organisation heraus, etwas zu ändern.
Miriam: Und dann sind da ja auch konkrete Abteilungen betroffen oder irgendjemand,
Miriam: der eben diese Phishing-Mail geöffnet hat und dann musste die Geschäftsführung
Miriam: eingreifen oder darauf reagieren.
Miriam: Also der klassische Weg in so einem Prozess ist aus der Organisation,
Miriam: also bottom up, wenn man so sagen möchte, und dann Top-Down und immer wieder
Miriam: im Wechselspiel hin und her, weil das eine kann nur mit dem anderen passieren.
Rico: Also ist dann eigentlich Cyber Security die Sache von allen.
Miriam: Richtig.
Rico: Und jeder hat natürlich einen unterschiedlichen Verantwortungsniveau,
Rico: einer mehr operationellen Umsetzungsverantwortung, vielleicht auch mehr Handlungsverantwortung,
Rico: der dann eine strategische Leitfunktion, aber am Ende ist es eine Aufgabe von jedem.
Rico: Und wenn ich eine Kultur schaffen will, dann habe ich verstanden,
Rico: muss ich eben auch an allen Ebenen ansetzen.
Rico: Es reicht nicht, das Leadership Team drei Tage in die Brandenburger Einhüte
Rico: zu fahren und zu sagen, wir machen jetzt
Rico: hier ein dreitägiges Security-Avernance-Programm und dann wird alles gut.
Rico: Weil dann ist man eben eine Organisation, die bestimmte Bewohnheiten hat,
Rico: bestimmte Strukturen hat, in dem bestimmten Raum arbeitet und tatsächlich auch physisch arbeitet.
Rico: Und dann kann ich eigentlich keine Änderungen haben.
Miriam: Ja, kann schon passieren, dass diese Personen dann eben auch die sind,
Miriam: die solche Veränderungen anstoßen,
Miriam: weil sie eben eine bestimmte Rolle einnehmen oder informelle Leader sind oder
Miriam: eben ganz besonders eine Vorbildrolle einnehmen.
Miriam: Das kann schon passieren, aber es ist eben keine Garantie.
Miriam: Also es ist eine Mini-Maßnahme, wie ich schon gesagt habe, eine Maßnahme von
Miriam: ganz vielen, die ergriffen werden müssen, um sowas zu ermöglichen.
Rico: Okay. Gut, das heißt, so als Resümee, vielleicht können wir das nochmal so ein
Rico: bisschen zusammenfassen,
Rico: was ich verstanden habe, man kann Kultur schon ändern, aber es ist relativ schwer,
Rico: im Zweifelsfall das ist eben was, was sehr viel Änderungsbereitschaft auch der
Rico: Menschen voraussetzt, auch sehr viel Kompetenzentwicklung voraussetzt.
Rico: Und es gehört eine gewisse Demut dazu und auch die Anerkennung,
Rico: dass man verstehen will, wie die eigene Kultur überhaupt aussieht und dann eben
Rico: auch die Kompetenz hat, mit den Widersprüchen, die sich daraus ergeben, umgehen zu können.
Rico: Vielleicht können wir nochmal dafür werben, das zu tun. Was ist denn der Mehrwert,
Rico: wenn man so einen Kulturprozess durchgemacht hat?
Rico: Dann bin ich jetzt davon wieder behaupten, wenn man das macht,
Rico: wird man immer resilienter, weil man eben die Lernfähigkeit der Organisation steigert.
Rico: Aber was wäre denn der Mehrwert sozusagen aus deiner Sicht?
Miriam: Eine persönliche Antwort oder eine professionelle Antwort? Beides,
Miriam: gerne. Eine persönliche Antwort wäre, dass es...
Miriam: Und einfacher wäre, sich auch für einen Arbeitsplatz zu entscheiden,
Miriam: weil man wüsste, was man kauft, also was in der Verpackung drin ist.
Miriam: Deswegen lohnt es sich immer, so einen Kulturprozess zu machen,
Miriam: weil man dann eben auch die Leute anzieht, die genau so arbeiten wollen wie diese Organisation.
Miriam: Es gibt ja so viele verschiedene Kulturansätze und wenn ich weiß,
Miriam: wie die tatsächlich sind und nicht nur auf den nächsten Trend ausspringen und
Miriam: wir sind so divers oder wir sind so und so und dann ist das nicht in der Verpackung drin,
Miriam: dann kann ich einfach so viel Fluktuation verhindern,
Miriam: so viel Lernbereitschaft aktivieren.
Miriam: Ich kann eben die Personen finden, die genau das teilen und leben möchten,
Miriam: was eben in dieser Organisation gelebt und verkörpert wird.
Miriam: Allein aus dieser Perspektive ist es halt schon so das Nonplusultra,
Miriam: weil welche Organisation hat keine Personalschwierigkeiten?
Miriam: Und da eben klar und offen zu kommunizieren, schon im Einstellungsgespräch zu
Miriam: sagen, hier, so und so machen wir das,
Miriam: das und das wird wahrscheinlich herausfordernd sein, wie würdest du dann in
Miriam: der Situation reagieren, dann weiß man ja schon, ob es passt oder nicht.
Miriam: Also diese Klarheit schafft eben Klarheit auf allen Ebenen.
Miriam: Dadurch ist die Führung besser, das Personal wird besser gewählt.
Miriam: Im Grunde werden die Räumlichkeiten auch anders gewählt.
Miriam: Jede Entscheidung kann bewusst und zielgerichtet im Endeffekt,
Miriam: wenn man es möchte, getroffen werden.
Rico: Okay, das wäre jetzt die persönliche Antwort, was die professionelle Antwort war.
Miriam: Ja, wahrscheinlich ist das auch die professionelle Antwort. Aber mir ist es
Miriam: eben ein persönliches Anliegen, dass das, was drin ist, auch nach außen getragen wird.
Miriam: Deswegen ist mein zweites Standbein auch Marketing, weil ich eben möchte,
Miriam: dass Marketing authentisch passiert, authentisch, sodass man halt wirklich auch
Miriam: grundlegend wissensbasiert informiert und berührend, das ist auch wichtig,
Miriam: da die Entscheidung treffen kann.
Rico: Okay, das verstehe ich. Also was ich jetzt gelernt habe, ist am Ende in der
Rico: Schreibkultur all die ganzen kleinen, vielen Zahnräder, die da in dem komplexen
Rico: Uhrwerk einer Organisation zusammengreifen.
Rico: Wenn man das ändern will, muss man eben auch an sehr vielen Zahnrädern arbeiten
Rico: und vielleicht auch am Öl und an der Schale und am generellen Setting des Uhrwerks.
Rico: Vielleicht kannst du ja nochmal so die drei wichtigsten Erkenntnisse,
Rico: die man jetzt, wenn man das gehört hat.
Rico: Und ich glaube, das war jetzt für die Leute, die aus dem Sicherheitsmanagement
Rico: oder aus der Sicherheit so Verantwortung für solche Themen haben,
Rico: vielleicht jetzt nicht ganz so greifbar, aber das muss ja auch gar nicht.
Rico: Vielleicht kannst du einfach nochmal so die drei wichtigsten Themen zusammenfassen,
Rico: die du so als Appell mitgeben würdest.
Miriam: Ja, also als Appell möchte ich mitgeben, eben nicht so maschinelle Bilder für
Miriam: Organisationen zu verwenden, weil man es sich eher wie ein Organismus oder wie
Miriam: was wachsendes Natürliches vorstellen kann.
Miriam: So das klassische Bild, das man jetzt aus der Philosophie nehmen würde,
Miriam: wäre ein Rhesom, also ein Wurzelgeflecht, das miteinander interagiert.
Miriam: Auf den Punkt bin ich auch noch nicht eingegangen, weil organisationale Resilienz
Miriam: hört ja nicht an den Grenzen der Organisation auf, sondern es sind auch die
Miriam: Beziehungsqualitäten nach außen, die Beziehung zum Umfeld, die Lieferketten, die darauf einzahlen.
Miriam: Also die eigene Kulturarbeit hilft ja auch dann, in das richtige Netzwerk hereinzukommen,
Miriam: was eigentlich sozusagen die, ich würde fast sagen, eine der wesentlichen Kernkompetenzen
Miriam: unserer Zeit ist und eben in Netzwerken bewegen zu können,
Miriam: global zu denken, über die eigenen individuellen organisationalen Ebenen hinaus
Miriam: und auch zwischen diesen Ebenen zu springen.
Miriam: Ich denke, das ist eine sehr wichtige organisationale Kompetenz und individuelle.
Miriam: Deswegen würde ich auch sagen, dass.
Miriam: Und wesentlich ist es, Komplexität nicht reduzieren zu wollen,
Miriam: wo sie ist, sondern sie so aufzubereiten, dass sie handhabbar ist.
Miriam: Und das ist im Kulturprozess so wichtig.
Miriam: Kultur ist erstmal was Schwammiges, Aufgeladenes und so. Aber indem wir eben
Miriam: Fragen stellen, gezielt vorgehen,
Miriam: können wir Erkenntnisse haben und die eben auch so aufbereiten,
Miriam: dass sie einen Mehrwert bieten und uns an diese Komplexität heranzutrauen,
Miriam: ohne sie wegzunehmen und zu sagen, ich habe jetzt das Ei gelegt hier,
Miriam: ihr müsst alle das und das machen, dann wird alles super.
Miriam: Aber ja, es klingt schön, aber es ist wie in der Medizin.
Miriam: Es wird nicht das Heilmittel für alles in einem Medikament geben.
Miriam: Und ja, ich denke, das ist das Wesentliche, was ich da mitgeben möchte.
Miriam: Und das Zweite ist Kulturarbeit, ist Beziehungsarbeit.
Miriam: Und auch wenn wir jetzt sehr viel KI einsetzen und sehr maschinell bezogen sind,
Miriam: in unsere Interaktion und für resiliente Organisationen kommt es darauf an,
Miriam: wie wir miteinander sind,
Miriam: wie wir zu uns selbst sind und miteinander und dementsprechend wird auch die Resilienz sein,
Miriam: also wie nah sind wir bei uns selbst, bei unseren Werten, bei unseren organisationalen
Miriam: Werten in der Krise und können wir daran festhalten, wo wir hinwollen,
Miriam: auch wenn alles unter uns wegbröselt,
Miriam: das ist glaube ich das Entscheidende.
Miriam: Oh, drei. Also Komplexität, Beziehung und was hatte ich als erstes gesagt?
Miriam: Weiß ich schon nicht mehr.
Rico: Das ist so.
Rico: Wollen wir jetzt eigentlich schon am Ende sind? Mir kam jetzt noch mal gerade
Rico: der Gedanke, der schließt so ein bisschen an, was du gesagt hast.
Rico: Ich glaube, dass das natürlich schon eine wichtige Erkenntnis ist zu sagen,
Rico: wenn ich ein klares, authentisches Bild meiner Organisation habe,
Rico: wird es mir in der Krise auch leichter fallen,
Rico: Entscheidungen in bestimmte Richtungen zu treffen, weil das eben nicht ein aufgeladenes
Rico: Marketing-Pamphlet ist, wo drinsteht, wir haben eine offene Teamkultur,
Rico: sondern mir das eigentlich einen Wertekanon gibt oder Halt gibt,
Rico: einfach eine bestimmte Handlung, also dann tatsächlich wieder kompetent zu sein,
Rico: in die richtige Richtung zu arbeiten.
Miriam: Ja, ich möchte da auch noch mal an dein Bild der Entscheidungskorridore anknüpfen,
Miriam: weil ich das so super finde.
Miriam: Mein Prof hat immer über Fahrtabhängigkeit geforscht, also wie Entscheidungen,
Miriam: die wir getroffen haben, unser jetziges Handeln einengen.
Miriam: Und solange wir Korridore haben, in denen es diverse Türen von abgehen,
Miriam: in denen es so ein Geflecht ist aus Möglichkeiten, solange sind wir auf jeden Fall resilient.
Miriam: Wenn man dann sagt, es gibt keine Alternativen mehr, dann ist man genau an dem
Miriam: Punkt angekommen, wo es schwierig wird.
Miriam: Also wenn aus Dialektik Dogma wird oder wenn eben aus, wenn auch nur minimaler
Miriam: Beweglichkeit. Man denkt an eine Verwaltung, die ist sehr unbeweglich,
Miriam: aber super resilient eben, weil das ihr Bewegungsmodus ist.
Miriam: Aber wenn gar keine Bewegung mehr stattfindet und es total starr wird, dann ist Ende.
Rico: Das ist immer ein interessanter Gedanke zu meinem eigenen Bild.
Rico: Vielen Dank. Ich fand das sehr interessant.
Rico: Vielleicht ganz anders als erwartet, aber das hat mir doch nochmal ganz neue
Rico: Erkenntnisse gebracht.
Rico: Und vielleicht können wir einfach nochmal dann irgendwie anknüpfen und ganz
Rico: konkret über ein Thema sprechen. Dank dir.
Miriam: Ich danke dir auch.
Rico: Ja, soweit mein Interview mit Miriam Büxenstein.
Rico: Nun, was kann man mitnehmen aus dem Interview?
Rico: Und das zahlt vielleicht dann auch auf die Eingangsfragen oder den Anlass für dieses Interview ein.
Rico: Die wichtigste Überschrift für mich ist, Kultur kann man nicht einfach einführen.
Rico: Es gibt keine Software-as-a-Service-Lösung und es gibt eigentlich auch keinen
Rico: schnellen Wurf, der dazu führt, dass sich eine Kultur in einem Unternehmen ändert,
Rico: weil Kultur, was sehr abstrakt ist und sehr immanent ist,
Rico: also Kultur ist Struktur- und Beziehungsarbeit, hat ja Miriam rausgearbeitet.
Rico: Und wenn man eben Kultur ändern möchte, dann muss man eben an Strukturen und Beziehungen arbeiten.
Rico: Das heißt, sie entsteht aus dem Zusammenspiel zwischen Menschen,
Rico: Prozessen, Räumen, ungeschriebenen Regeln, sind also ganz viele Ebenen, die man da hat.
Rico: Und Führung hat natürlich den Auftrag hier, Struktur zu geben und auch einen
Rico: Rahmen zu geben, Freiräume zu geben, aber Kultur lässt sich eben nicht so einfach
Rico: einführen, sondern man muss eben auf allen Ebenen arbeiten und vor allem,
Rico: ich meine, das war ja eine relativ radikale Aussage, ich weiß auch nicht,
Rico: ob das jetzt sozusagen ein bisschen provokativ war,
Rico: aber im Zweifelsfall muss man eben auch Menschen austauschen,
Rico: wenn man Kultur verändern möchte oder zumindest an der Kompetenz der einzelnen Menschen arbeiten.
Rico: Das wäre dann ja eher wieder der Ansatz von André Röhlen und man müsste sich
Rico: dann auch überlegen, passen eigentlich die Menschen, die ich einstelle mit ihren
Rico: Kompetenzen zu dem, was ich hier kulturell verankern möchte und dann sind vielleicht
Rico: ganz andere Kompetenzen relevant als reine Fachkompetenzen.
Rico: Also wer Kultur verändern will, der wird das mit einer Software-as-a-Service-Lösung
Rico: aller Voraussicht auch nicht schaffen, sondern das ist dann Culture-Washing,
Rico: würde ich das mal nennen, als Äquivalent zum Greenwashing.
Rico: Und dann haben wir gesprochen über eigentlich Kultur und Resilienz und da sind
Rico: so ein bisschen Faktoren, kulturelle Faktoren aufgekommen, die ja auch Teil
Rico: des Resilienzmodells sind, was wir in der letzten Folge diskutiert haben.
Rico: Aber es ist eben mehr als da Überschriften drauf zu packen. Also ich muss halt
Rico: ein echtes Reflexionsvermögen mitbringen.
Rico: Und das reicht eben nicht, das auf irgendeinen Zettel zu schreiben oder Checklisten
Rico: zu bauen, wo dann drauf steht Checkliste für Reflexionsvermögen,
Rico: sondern es ist eben eine Frage, ob ich das wirklich lebe.
Rico: Ansonsten ist es sicherlich auch Teil der Kultur, aber es ist eben dann ein
Rico: Widerspruch in der Kultur, der bestimmte Ergebnisse mit sich bringen kann.
Rico: Dann haben wir darüber gesprochen und das ist ja dann auch der Job, den Miriam macht,
Rico: sozusagen einfach kulturtransparent zu machen, denn es reicht eben nicht irgendwie
Rico: überall drauf zu schreiben, wir haben eine offene Kultur oder wir sind lernorientiert,
Rico: wenn es eben gar nicht mit der Praxis übereinstimmt und ich muss eben,
Rico: um das transparent zu machen,
Rico: Da tatsächlich hingucken und auch hingucken wollen.
Rico: Und dann würde ich sagen, wenn eine Organisation lernfähig sein möchte,
Rico: dann gehört das natürlich auch dazu, dass sie diese Lernprozesse angeht und
Rico: vielleicht auch unangenehm damit umgeht, dass sie da jetzt vielleicht einen
Rico: kulturellen Widerspruch hat.
Rico: Dann sicherlich auch eine ganz wichtige Erkenntniskultur entwickeln.
Rico: Wenn sie denn entwickelbar ist, ist eben ein sehr, sehr langwieriger Prozess,
Rico: der vielleicht auch ein Stück weit frustrierend ist,
Rico: weil die Veränderungen gar nicht so schnell stattfinden, wie man sich das wünscht
Rico: und die vielleicht auch drastische Einschnitte in der Organisation bedingen,
Rico: weil ich vielleicht Führungskräfte habe, die persönlich,
Rico: mit ihrer Persönlichkeit oder aufgrund ihrer Kompetenzen gar nicht zu dem passen,
Rico: wo ich eigentlich hin möchte.
Rico: Und da muss ich eben auch bereit sein, die Organisation zu ändern.
Rico: Und ich muss insbesondere bereit sein, eben auch Strukturen zu verändern,
Rico: um die Kultur dann folgen zu lassen.
Rico: Und ein letzter Punkt, der zahlt dann auf das ein, was ich mit André Röhl diskutiert
Rico: habe, dass Sicherheit und Resilienz eben eine Gemeinschaftsaufgabe sind.
Rico: Das ist nichts, was man top-down verordnen kann, sondern wir sind jetzt auf einmal resilient.
Rico: Und das kommt eben, jeder Baustein einer Organisation zahlt darauf ein,
Rico: das ist ein Bottom-up-Ansatz, das ist ein Top-down-Ansatz, also es ist irgendwie
Rico: beides und jedes Element,
Rico: selbst die Gestaltung der Büroräume kann und wird darauf einzahlen,
Rico: wie sich eine Organisation
Rico: Verhält und entwickelt und trägt eben zur Resilienz bei.
Rico: Jetzt kann man sagen, naja, das ist ja alles Wischiwaschi und ist es sicherlich
Rico: auch, aber das ist natürlich das Spannende auch an Organisationsforschung,
Rico: dass sie dann doch sehr viele,
Rico: vor allem die beschreibende Faktoren hat, aber jetzt vielleicht gar nicht unbedingt
Rico: die Antwort darauf geben kann,
Rico: wie einfach oder schwer ist es denn, eine Organisation zu verändern,
Rico: weil da eben ganz viele Bausteine dazugehören.
Rico: Und ich denke, das ist ein wichtiges Anerkenntnis, weil Teil eines solchen Prozesses
Rico: ja auch sein kann, dass man erstmal feststellt, heute sind wir gar nicht so
Rico: resilient, wie wir das geglaubt haben und dann kann man damit irgendwas machen.
Rico: Also dann ist man eigentlich im klassischen Risikomanagement zu entscheiden,
Rico: möchte ich das ändern, bin ich bereit,
Rico: den Invest zu gehen, bin ich bereit, mich auf die Veränderungen einzulassen,
Rico: weil ob man jetzt alle Ansichten von Miriam teilt oder sagt,
Rico: na gut, es ist vielleicht nicht ganz so radikal,
Rico: wichtig ist, dass es eben mehr ist als die Subscription einer Software,
Rico: denn das ist dann das Heucheln von Kulturveränderungen und das ist eigentlich
Rico: noch schlimmer, weil ich immer denke, ich bin resilient, aber ich bin es überhaupt
Rico: nicht, weil ich mich nicht ehrlich gemacht habe.
Rico: Insofern dann auch nochmal zu dem Ergebnis vom letzten Podcast,
Rico: wo André Röge gesagt hat, es kommt eben darauf an, was ich messen will.
Rico: Genau, ich muss mir eben vorher überlegen, wo will ich eigentlich hin und was
Rico: will ich mit den Messmethoden, die ich da ansetze, erreichen.
Rico: Und es kann eben sein, dass da unangenehme Ergebnisse rauskommen.
Rico: Beim Messen, das ist so ein bisschen wie beim Arzt, man kann da hingehen und
Rico: dann kann man eine Diagnose bekommen, die man eigentlich nicht haben wollte.
Rico: Aber es hilft eben nichts, nicht zum Arzt zu gehen. Dann weiß ich es eben auch nicht.
Rico: Ja, soweit die heutige Folge. Ich fand es sehr spannend.
Rico: Es war vielleicht abstrakter als an anderen Stellen. Aber mir hat es sehr viel gebracht.
Rico: Es hat mir noch mal ganz neue Impulse und Denkräume eröffnet.
Rico: Ich hoffe, das war für Sie und euch genauso spannend.
Rico: Wir hören uns wieder in 14 Tagen zu einem wahrscheinlich ganz anderen Thema.
Rico: Und bis dahin freue ich mich weiterhin über Feedback, über Kommentare auf LinkedIn.
Rico: Ich freue mich, dass da jetzt dann immer wieder doch ganz interessante,
Rico: längere Diskussionen entstehen über Rückmeldungen, über Themenvorschläge.
Rico: Wie gesagt, auf LinkedIn, dort heiße ich, wie ich heiße.
Rico: Gerne auch unter die Podcast-Streaming-Dienste, da kann man kommentieren.
Rico: Ich freue mich über Follower und ich freue mich auch über Rückmeldungen per
Rico: E-Mail an redaktion.krisenhex.de redaktion.krisenhex.de Ansonsten auf LinkedIn, Rico Kerstan.
Rico: Und wir hören uns in 14 Tagen wieder. Bis dahin.
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